Das Leitbild ist in zahlreichen Unternehmen vor allem dann Thema, wenn an ihm gearbeitet wird. Und da Leitbilder auf langfristige Gültigkeit angelegt sind, ist das nur ca. alle 10 Jahre der Fall. Eines ist jedoch klar: Nur was innen tagtäglich gelebt wird, kann auch nach aussen Wirkung entfalten.
Unternehmenskultur nicht vernachlässigen
Ein Leitbild bringt die angestrebte Identität des Unternehmens auf den Punkt. Da müsste es sich doch lohnen, die Praktiken des Unternehmens von Zeit zu Zeit auf die Übereinstimmung mit dem Leitbild zu überprüfen. Hinsichtlich der formellen Organisation und Prozesse geschieht das durchaus, und zwar im Rahmen der Strategiearbeit. Das Thema Unternehmenskultur wird dabei allerdings weitgehend ausgeklammert, vor allem aufgrund der stark informellen Prägung. Der Return on Investment für entsprechende Aktivitäten scheint zu wenig greifbar. Zudem wirkt die Arbeit auf Ebene Unternehmenskultur selten kurzfristig – könnte man meinen. Das hat allerdings nicht zuletzt damit zu tun, dass selten konsequent an ihr gearbeitet wird.
Konsequent an der Unternehmenskultur zu arbeiten, bedeutet zum Beispiel, die kulturellen Praktiken im Unternehmen anhand des Leitbilds regelmässig einem Checkup zu unterziehen. Die entscheidenden Fragen lauten:
- Was haben wir für einen Anspruch und wie verhalten wir uns tatsächlich?
- Was können wir heute, ohne zusätzliche Ressourcen oder Befugnisse tun, um unserem Anspruch näher zu kommen?
Ein solcher Checkup muss nicht jedes Jahr mit allen Abteilungen erfolgen. Er kann zum Beispiel dort ansetzen, wo der Leidensdruck besonders gross ist, Recreational Complaining verbreitet ist oder die Feedbacks von internen oder externen Kunden auf Potentiale hinweisen.
Das Leitbild ist so oder so Thema…
In Unternehmen, die auf einen regelmässigen Leitbild Checkup verzichten, ist die Auseinandersetzung mit dem Unternehmensleitbild unweigerlich defizitorientiert. Damit wird das Leitbild nicht nur nicht produktiv, sondern über kurz oder lang kontraproduktiv. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird zur offenen Wunde. Die Mitarbeitenden distanzieren sich mit hämischen oder gar zynischen Kommentaren vom Leitbild.
Damit die Zielgruppe einen Leitbild Checkup annimmt, muss sie emotional dort abgeholt werden, wo sie ist. Wunde Punkte und Tabus müssen also zwingend auf den Tisch kommen. Nichts bringt die Teilnehmenden schneller in einen positiven und produktiven Zustand, als die Auflösung von Tabus mittels Humor. Hier gilt: Je näher an den wunden Punkten, desto besser. Darf nämlich über Differenzen zwischen Leitbild und Realität gelacht werden, so darf auch endlich tabulos darüber gesprochen werden. Ist dies erreicht, gewinnt die Diskussion mithilfe geeigneter Liberating Structures (z.B. TRIZ) rasch an Tiefe. Geht es schliesslich um die Frage, was im Arbeitsalltag getan werden kann, so eigenen sich weitere Strukturen wie z.B. 25/10-Crowdsourcing oder 15%-Solutions.
Die Dramaturgie eines Leitbild Checkups führt aber nicht nur rasch zu leicht umsetzbaren Massnahmen. Sie schafft darüberhinaus eine lustvolle, positive Erfahrung für alle Teilnehmenden, welche viele inspirierende Gedanken und Erlebnisse in den Arbeitsalltag mitnehmen. Mit einem nachfolgenden Beobachtungsauftrag wird die Reflexion vertieft und die Umsetzung unterstützt.
Geeignete Methoden
Während das Leitbild eine heere Wunschvorstellung sein darf, muss die Auseinandersetzung mit dem Leitbild direkt bei der Alltagserfahrung der Teilnehmenden ansetzen. Dabei können verschiedene Formen des Unternehmenstheaters vielfältige Hilfestellungen leisten, z.B.:
- Enttabuisierung von Themen mittels Humor (Businness Kabarett, Inszenierung)
- Perspektiven und implizites Wissen austauschen (interaktive Theaterformen)
- Replay und Probehandeln im geschützten Rahmen (interaktive Theaterformen)
- Spiegelung vom Umgang miteinander (Spiegeltheater)
- Zukunftsvorstellungen erlebbar und überprüfbar machen (interaktive Theaterformate)
- neue Ressourcen im Team kennenlernen (Mitarbeitertheater)
- neue Formen der Zusammenarbeit ausprobieren (Applied Improvisation)
Partizipative Workshopformate wie Liberating Structures bringen die Teilnehmenden in kürzester Zeit in eine aktive, verantwortliche Rolle. Und genau darum geht es: Dass das Leitbild kein Alibi ist, um sich von der Verantwortung für die Unternehmenskultur loszusagen, sondern gerade in seiner Offenheit die Übernahme von Verantwortung ermöglicht.